Hintergrund: Kinder- und Jugendhospizarbeit in Deutschland

Was ist Kinderhospizarbeit?

Wenn ein Kind so schwer erkrankt, dass es als Kind oder Jugendliche/r sterben wird, so ist das für die betroffenen Familien und das Freundesumfeld eine kaum zu ertragende Situation.

Die Diagnose verändert alles.

Das gilt natürlich für das lebensverkürzend erkrankte Kind. Das gilt im Besonderen für die Eltern und die Geschwister. Von der Diagnose bis zum Versterben des Kindes vergehen oft Jahre. In dieser andauernden existenziellen Ausnahmesituation für die ganze Familie ist es entscheidend für die Bewältigung der Situation, zu helfen und zu begleiten.

Die Kinderhospizarbeit setzt genau dort an. Unterschiedliche Ebenen der Unterstützung und Begleitung greifen abgestuft ineinander. So geben Sie der Familie und dem sterbenden Kind in jeder Situation die beste Hilfe. Es sind:

  • Ambulante Kinderhospizdienste
  • Stationäre Kinderhospize
  • Begleitende Entlastungs- und Hilfsangebote

Ambulante Kinderhospizdienste

Ambulanten Kinderhospizdiensten kommt bei der Begleitung von betroffenen Kindern und Familien die Schlüsselrolle zu. Anders als bei Erwachsenenhospizen gestaltet sich die Phase der tödlichen Erkrankung sehr lange. Oft dauert das Sterben Jahre. In dieser Zeit kommt es je nach Erkrankung zu einem stetigen Abbau von Fähigkeiten des erkrankten Kindes, der langsam zum Tod führt.

Die Begleitung betroffener Kinder findet daher ambulant in der Familie, zu Hause statt, wo sie geborgen sind. Die Aufgabe ambulanter Kinderhospizdienste ist es dann:

  • Das erkrankte Kind, Geschwister und ggf. die Eltern mit gut ausgebildeten ehrenamtlichen Mitarbeitern regelmäßig zu begleiten und zu entlasten.
  • Zugang zum Netzwerk der Kinderhospizarbeit zu verschaffen. Z.B. Kontakte zu spezialisierten ambulanten Palliative Care Teams, SAPV-Teams, (speziell ausgebildete Pflegkräfte, Ärzte und Psychologen) herzustellen, Zugang zu stationären Kinderhospizen zu vermitteln, Beratung im Umgang mit Behörden zu leisten, begleitende Entlastungs- und Hilfsangebote zu erklären und zu vermitteln.
  • Kontakt zu andern betroffene Familien herzustellen und zu organisieren.
  • finanziell und organisatorisch zu helfen bzw. derartige Hilfe zu vermitteln.

Die Arbeit der ambulanten Kinderhospizdienste ist immer ausschließlich regional/lokal begrenzt. Ihre Arbeit ist für die betroffenen Familien immer kostenlos.

Erfahrungsgemäß sind ambulante Kinderhospizdienste die Eingangspforte zu sämtlichen Hilfs- und Entlastungsmöglichkeiten. Ohne ambulante Kinderhospizdienste als dauerhafte Begleiter und Berater an der Seite betroffener Familien, bleiben Familien in der Regel vollständig auf sich gestellt und nutzen auch keine stationären Kinderhospize oder weiteren Entlastungs- und Hilfsangebote.

Deshalb sind ambulante Kinderhospizdienste so wichtig. Ihnen kommt die entscheidende Bedeutung im Reigen der Hilfsangebote zu.

Stationäre Kinderhospize

Anders als stationäre Erwachsenenhospize sind stationäre Kinderhospize keine Sterbehäuser. Sie sind Einrichtungen der Entlastungspflege.

Betroffene Familien sind oft mehre Wochen im Jahr in stationären Kinderhospizen zu Gast, um zur Ruhe zu kommen, auszuspannen, andere Betroffene zu treffen oder einfach entlastet zu werden.

Trotz der krankenhausähnlichen Situation sind stationäre Kinderhospize für betroffene Familien derzeit oft über Jahre die einzige Möglichkeit, Ruhe zu finden und eine soweit wie möglich unbeschwerte Zeit zu verbringen. Die Arbeit der stationären Kinderhospize ist immer überregional. Die Angebote sind für alle betroffenen Familien stets kostenlos.

Begleitende Entlastungs- und Hilfsangebote

Begleitende Entlastungs- und Hilfsangebote reichen von spezialisierten Palliativ Care Teams über Tagespflegeangebote bis hin zu Vernetzungsangeboten und Weiterbildungsprogrammen im Rahmen der Selbsthilfe. Auch Begleitung über den Tod des erkrankten Kindes hinaus, wie Trauerbegleitung oder Mentoring der Geschwister, sind möglich. Sie treten den ambulanten Kinderhospizdiensten und den stationären Kinderhospizen an die Seite.

Die Situation in Deutschland

Der Bundesverband Kinderhospizarbeit und der Deutsche Kinderhospizverein gehen davon aus, dass es in Deutschland ca. 50.000 betroffene Kinder gibt. Die aktuellsten Zahlen aus einer neuen Handreichung des deutschen Kinderhospizvereins gehen von 53 betroffenen Kinder auf 100.000 Einwohner aus.

Auf kommunale Ebene heruntergebrochen ergibt sich im Kreis Unna beispielsweise eine Gruppe von ca. 200 betroffenen Kindern in Dortmund können wir von ca. 300 betroffenen Kindern ausgehen. Ist ein Kreis oder eine Stadt gut mit ambulanten Kinderhospizdiensten versorgt, wie beispielsweise der Kreis Unna, so kann etwas mehr als die Hälfte der Familien erreicht werden. Für den Landkreis Unna haben wir sehr gutes Zahlenmaterial, das diese Einschätzung belegt. Erfahrungsgemäß steigt mit dem Bekanntheitsgrad der Dienste auch die Quote der Familien, die sich durch die Dienste beraten und begleiten lassen. Das hat teilweise den profanen Grund, dass Hilfsmöglichkeiten bekannt sein müssen, um sie zu nutzen. Gleichzeitig mindern der Bekanntheitsgrad und die Berichterstattung über die Arbeit die Hemmschwelle, sich an den Dienst zu wenden.

Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste

In Deutschland gibt es ca. 180 ambulante Kinderhospizdienste. Ein Dienst begleitet derzeit zwischen 20 bis 30 betroffene Familien mit erkrankten Kindern. Von 50.000 betroffenen Kindern bleiben 45.000 ohne Begleitungsangebot! Diese Zahlen zeigen die dramatische strukturelle Unterversorgung. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die Dienste regional sehr ungleich verteilt sind.

Um das zu verdeutlichen ein Beispiel: So sind im Kreis Unna (400.000 Ew.) zwei Dienste vorhanden. In Dortmund (600.000 Ew. /300 erkrankte Kinder) sind bisher nur zwei Dienste präsent, in Bochum (400.000 Ew.) einer. Erfahrungsgemäß begleitet ein Dienst bis zu 25 bis 30 Familien.

Stationäre Kinderhospize

Stationäre Kinderhospizdienste sind über ganz Deutschland verteilt. Das Angebot der stationären Kinderhospize als Einrichtungen der Entlastungspflege wird von den Fachverbänden und begleitenden staatlichen Stellen als derzeit ausreichend angesehen.  Das neu geplante stationäre Kinderhospiz in Dortmund wird seine 9 Betten überregional anbieten. 17 stationäre Kinderhospize sind derzeit in Deutschland verfügbar, zwei sind in Planung bzw. bereits im Bau.

Begleitende Hilfs- und Entlastungsangebote

… sind vielfältig. Im professionellen Hilfs- und Pflegbereich hat sich in den letzten Jahren mit dem verstärkten Ausbau der SAPV-Teams viel bewegt. Dennoch ist die Situation weit davon entfernt ausreichend zu sein. Besonders der Pflegenotstand wirkt sich sehr negativ auf die Situation betroffener Familien aus. Oft ist es kaum möglich entsprechend ausgebildete Fachkräfte für die häusliche Pflege des erkrankten Kindes zu finden. Wenn man bedenkt dass Kinder mit lebensverkürzender Erkrankung in ihrem kurzen Leben oft auf 24 Stunden Pflege angewiesen sind, so wird dieser Missstand besonders deutlich.

An welchen Angeboten fehlt es am nötigsten?

Nach der gemeinsamen Einschätzung von Spitzenverbänden der Kinderhospizarbeit und der Koordinationsstellen der Hospiz- und Kinderhospizarbeit in NRW (Alpha-Stellen) mangelt es im Bereich der Kinderhospizarbeit vor allem in zwei Bereichen:

Entlastungsangebote für betroffene Familien in den Ferien

Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern haben oft mehrere Kinder. Die Familie ist für Urlaub auf die Schulferien angewiesen. In den Schulferien sind die stationären Kinderhospize regelmäßig hoffnungslos überlastet. Normale Urlaubsangebote sind für betroffene Familien wegen der medizinischen Notwendigkeiten des erkrankten Kindes vollständig unbrauchbar. Spezialisiert Urlaubsangebote, in denen der Ferien- und nicht der Bildungsaspekt im Vordergrund stehen, werden in Deutschland derzeit nicht angeboten. So kommt es, dass betroffene Familien oft über die langen Jahre der Erkrankung die Möglichkeit verwehrt bleibt, auch nur für wenige Wochen im Jahr Urlaub zu machen. Ferien sind für lebensverkürzend erkrankte Kinder und deren Geschwister in Deutschland ein Fremdwort. Diese Situation dauert in der extremen Belastung der Familien oft jahrelang und konzentriert die unerträgliche Belastung zusätzlich.

Ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste

Für ein bedarfsgerechtes Angebot an ambulanten Kinder- und Jugendhospizdiensten fehlen in Deutschland weit über 300 Einrichtungen.

 

Warum gibt es zu wenig ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste und keine Entlastungsangebote in Form eines Kinderhospiz-Ferienwerkes?

Der Mangel ist eine Frage des Geldes.

Während stationäre Kinderhospize von den Krankenkassen zu 100 Prozent finanziert werden (bedarfsgerechte Versorgung ist vorhanden), zahlen die Kassen bei den ambulanten Kinderhospizdiensten lediglich ein Zuschuss von bis zu 25 Prozent. Und das, obwohl den ambulanten Kinderhospizdiensten, auch von den Krankenkassen unbestritten, die Schlüsselstellung in der Kinderhospizarbeit zukommt. Während der Betrieb eines stationären Kinderhospizes für den Träger in der Regel ohne finanzielles Risiko ist, bezuschussen die Träger ambulanter Kinderhospizdienste die Arbeit mit über 75 Prozent der Kosten. Diese Kosten müssen dann über Spenden eingeworben werden.

Ein großes finanzielles Risiko.

Hinzu kommt, dass die Förderung für ambulante Kinderhospizdienste erst rückwirkend im Folgejahr von den Krankenkassen gezahlt wird. Die Träger müssen den Betrieb von ambulanten Kinderhospizdiensten zu 100 Prozent vorfinanzieren. Das Risiko ist den meisten Trägern einfach zu groß. Insbesondere die Gründung und Etablierung eines ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes ist finanziell enorm schwierig, da bis zu 18 Monate Betrieb vorfinanziert werden müssen.

Ein Kinderhospiz-Ferienwerk, das den schwerkranken Kindern einfach Ferien ermöglichen würde, ist von jeder Förderung durch Krankenkassen oder andere staatliche Stellen ausgeschlossen. Ohne das soziale Engagement von Firmen oder Privaten wird es weiterhin so sein, dass Kinder mit lebensverkürzender Erkrankung und deren Geschwister von Ferienangeboten dauerhaft ausgeschlossen bleiben.

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